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Titel
Johannes Honterus. Rudimenta Cosmographica. Grundzüge der Weltbeschreibung (Corona/Kronstadt 1542): Ins Deutsche, Rumänische und Ungarische übersetzte und kommentierte Faksimile-Ausgabe


Herausgeber
Offner, Robert; Roth, Harald; Şindilariu, Thomas; Wien, Ulrich A.
Erschienen
Anzahl Seiten
358 S.
Preis
€ 17,70
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Maik Fiedler / Christine Chiriac, Georg-Eckert-Institut - Leibniz Institut für internationale Schulbuchforschung

Die „Rudimenta Cosmographica“ bildet das Hauptwerk des siebenbürgischen Humanisten Johannes Honterus. Der Text erschien erstmals 2015 in dreifacher Übersetzung, mit einem Faksimile-Druck versehen, umfassend kommentiert und wissenschaftlich eingeordnet. Besprochen wird hier die zweite, aufgrund des großen Erfolgs der Erstauflage und anlässlich des Reformationsjubiläums (2017) veröffentlichte, leicht überarbeitete Ausgabe. Die Edition der „Rudimenta“ von 2017 bzw. 2015 entstand als Gemeinschaftsprojekt eines internationalen Teams von ausgewiesenen Kennerinnen und Kennern der siebenbürgischen Regionalgeschichte und der zugehörigen Sprachen, was sie zu dem Ergebnis eines aufwendigen und ambitionierten Projekts macht.

Die „Rudimenta Cosmographica“ ist das am weitesten verbreitete Druckwerk des siebenbürgisch-sächsischen Humanisten Johannes Honterus (1498–1549) aus Kronstadt / Braşov im heutigen Rumänien. Honterus war als Universalgelehrter, Reformator, Lehrer und Druckunternehmer eine prägende Persönlichkeit seiner Heimat und zugleich mit humanistischen Strömungen in Europa eng vernetzt. Durch die Gründung einer eigenen Druckerei war es ihm möglich, neuartige Vorstellungen von einem modernen und universalen Lehrwerk für humanistische Bildung inhaltlich und formell frei umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund erschien 1542 die Wissensordnung „Rudimenta Cosmographica“ in 1.366 Hexametern. Die Kosmographie stellt einen kompakten Leitfaden des Grundwissens dar, das ein Schüler eines humanistischen Gymnasiums nach Honterus‘ Ansicht beherrschen musste. Die vier Teile des Werks enthalten folgende Themenblöcke: 1. Buch: Astronomie und Geographie; 2. Buch: Beschreibung Europas; 3. Buch: Außereuropäische Erdteile; 4. Buch: Naturkunde, Sozialkunde, Anatomie, Krankheiten. Das Besondere an der Enzyklopädie ist neben dem innovativen Ansatz der Wissenszusammenstellung und -vermittlung auch die Integration von geographischen Karten, die in ihrer Gesamtheit einen der ersten Schulatlanten der Welt darstellen dürften (siehe Faksimiledruck, S. 194–220). Insgesamt erschienen von 15301 bis 1695 europaweit nahezu 100 Auflagen, von Zürich, Mallorca und Paris bis Antwerpen, Valencia und Leipzig, was den Stellenwert der Kosmographie in der europäischen Bildungsgeschichte deutlich macht.

Kern des Werks ist die Edition der „Rudimenta Cosmographica“, welche neben dem Faksimiledruck des lateinischen Originals (S. 139–222) eine deutsche, rumänische und ungarische Übersetzung und einen Kommentarapparat umfasst. Darüber hinaus enthält die Neuausgabe eine bio-bibliographische Zeittafel (S. 338–341), die der im Juni 2018 verstorbene Historiker und Honterus-Forscher Gernot Nussbächer beigesteuert hat. Auch ist die Edition mit einer dreisprachig aufgeschlüsselten Bibliographie versehen, so dass die weitere Recherche von sprachlichen Barrieren befreit wurde.

Besonders hervorzuheben ist der thematische Forschungsteil: Der Band enthält, wie auch schon die erste Auflage, je ein wissenschaftliches Kapitel zu Honterus‘ Biographie (S. 11–27), zeitgenössischen Werken (S. 38–60) und dem in der „Rudimenta“ abgebildeten Wissensstand (S. 67–91) auf Deutsch mit jeweils zugehörigen Zusammenfassungen auf Rumänisch und Ungarisch.

Der erste inhaltliche Rahmenbeitrag des Herausgebers und Kirchenhistorikers Ulrich A. Wien widmet sich dem Humanisten Honterus und bietet neben einem Überblick über Honterus‘ Wirken und den Entstehungskontext der „Rudimenta“ eine Rekonstruktion der Beziehungen Siebenbürgens zu humanistischen Zentren wie Krakau, Wien, Nürnberg, Basel und Padua. Schlüssig stellt der Autor dar, welchen Anteil Honterus am Aufbau des Rufs Siebenbürgens als „Pionierregion der Religionsfreiheit“ (S. 13) hatte. Dabei spielten von Honterus geschaffene Wirkungsstätten eine hervorgehobene Rolle. Erwähnenswert sind das von ihm „ab 1541 grundlegend neu aufgebaute erste humanistische ‚Gymnasium‘ Südosteuropas“ in Kronstadt (S. 18), die 1527 gegründete Bibliothek und die 1539 eröffnete Druckerei, in der vorwiegend Schulbücher gedruckt wurden. Wien betont darüber hinaus Honterus‘ Wirken als Philologe, Kosmograph, Kartograph, Buchdrucker, Bildschnitzer und schließlich als Reformator.

Der Beitrag „Einführung zu einem Kosmographielehrbuch der Spätrenaissance“ von Zsolt Győző Török setzt sich mit der inhaltlichen und pädagogischen Zielstellung der Kosmographie auseinander. Honterus wollte laut Török den Menschen die Ordnung der Welt erschließen. Vor dem Kontext zeitgenössischer, vor allem naturwissenschaftlich arbeitender Kosmographen wie Martin Waldseemüller, Petrus Apianus und Sebastian Münster habe die Kosmographie von Honterus inhaltlich wenig Neues beigetragen. Honterus‘ große Leistung sei vielmehr die bemerkenswerte Herangehensweise an das Wissen der Zeit gewesen, da er aus diesem verfügbaren Wissen das seiner Meinung nach Wichtigste herausgefiltert, nach bestimmten Kriterien angeordnet und es den Schülern in handlichem Format zur Verfügung gestellt habe. Dies machte die „Rudimenta“ zu einem „bedeutende[n] Meilenstein der naturkundlichen Didaktik“ (S. 90).

Der dritte inhaltliche Rahmenbeitrag zum Thema „Tiere und Pflanzen, Sozialkunde, Anatomie und Krankheitsnamen“ ist auch dank der fachlichen Ausrichtung der Autoren (Naturwissenschaftler Heinz Heltmann und Humanmediziner Robert Offner) eine Bereicherung für die Ausgabe.

Hinsichtlich der Text-Übersetzung kann konstatiert werden, dass die Übertragung der Hexameter von Lore Poelchau, Heinz Heltmann, Peter Pauly (Deutsch), Valeria Căliman (Rumänisch), und László András Magyar (Ungarisch) überzeugend umgesetzt wurde. Die rumänischen und ungarischen Kurzzusammenfassungen der wissenschaftlichen Beiträge sowie das englische Summary am Bandende wirken sprachlich jedoch stellenweise ungelenk. Auch sind die Resümees inhaltlich nicht immer miteinander deckungsgleich. Im Beitrag von Ulrich A. Wien heißt es beispielsweise: „Aus der humanistischen Stadtreformation war eine Bildungs- und Kirchenreformation für den gesamten Landstand der Sachsen, ja darüber hinaus, der ‚Deutschen in Sybembürgen‘ geworden.“ (S. 27). In der rumänischen und ungarischen Zusammenfassung werden dann nicht nur die Siebenbürger Sachsen bzw. Deutschen, sondern auch die Ungarn aus Siebenbürgen genannt (rumänisch S. 32, ungarisch S. 37), was einen bedeutenden Unterschied darstellt. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass nicht selten Kommentare in den unterschiedlichen sprachlichen Versionen der „Rudimenta“ nicht deckungsgleich gesetzt wurden, was allerdings nur der multilingualen Leserschaft auffallen dürfte.

Aus Sicht der Bildungsmedienforschung fehlt in diesem bemerkenswerten Band ein zusätzliches Kapitel zur Rezeptionsgeschichte der „Rudimenta“ bzw. ein besserer Überblick über die Wirkungsgeschichte der Enzyklopädie. Weitere Beiträge, die sich mit den Inhalten der Kosmographie auseinandersetzen, wären ebenfalls denkbar gewesen. Auch wäre es wünschenswert, dass in Zeiten des digitalen Wandels diese wertvolle Edition nicht ‚nur‘ analog erscheint. Eine digitale Ausgabe der verschiedensprachigen Versionen würde weiterführende inter- und transdisziplinäre Forschung, etwa im Bereich der Digital Humanities, ermöglichen – freilich als mit XML/TEI ausgezeichnete und annotierte sowie kommentierte, sprachlich normalisierte und auf Wortebene durch Semantic Web Technologie verlinkte Fassung. Schließlich wäre eine Dokumentation der im Prozess der Übersetzungen und Edition entstandenen Forschungsdaten etwa hinsichtlich der Nach-vollziehbarkeit und Transparenz überaus hilfreich. Doch jenseits dieser Kritikpunkte ist die mehrsprachige Veröffentlichung der „Rudimenta“ zweifelsohne eine beachtliche Leistung. Man kann nur hoffen, dass diese Edition ein Anstoß ist, weitere Quellen dieser Art zu erschließen, die für die Forschung von unschätzbarem Wert sind.

Anmerkung:
1 1530 erschien in Krakau eine kürzere erste Version unter dem Titel „Rudimentorum Cosmographicae libri duo“. Von dieser Version unterschied sich jene von 1542 sowohl inhaltlich als auch stilistisch.